© Kay Bandermann
In Düsseldorf werden mit „coolen moves“ Netzwerke geknüpft
Es ist ein Leben „unter dem Radar“. In Nordrhein-Westfalen leben 23.000 geflüchtete, junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die bei uns „nur“ geduldet, aber nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Die Abschiebung kann ihnen täglich drohen. Ein Leben zwischen Frust, Angst und Hoffnung. Dabei sehen viele von ihnen ihre Zukunft in Deutschland. Die Landesprogramme „Gemeinsam klappt’s“ und „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ erkennen das Problem und ermöglichen Perspektiven. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, die jungen Migrant*innen aus der sozialen Isolation zu holen und mit der Gesellschaft ihrer neuen Heimat vertraut zu machen. Ein innovatives Projekt in Düsseldorf setzt dabei auf den Aufbau persönlicher, sozialer Netzwerke.
Die Uhr an der Wand ist auf Fünf vor Zwölf stehengeblieben. Rap-Musik wubbert aus dem Lautsprecher am Boden. Das nimmt Aamun genauso wenig wahr wie den abgewetzten Holzboden. Der junge Mann aus Nigeria ist ganz mit seinen Füßen beschäftigt, die irgendwie nicht das machen, was sie sollen. Gelächter. Seinen Mittänzern – zwei jungen Männern aus dem Irak und Afghanistan – geht es ähnlich. Dabei sieht es so leicht aus, wenn Tanzlehrerin Surena diese Tanzschritte vormacht. Sie motiviert die jungen Geflüchteten: „Gut. Ihr macht das gut….“ Die Männer lächeln verlegen.
Eindrücke von einem ganz besonderen Tanzworkshop im alternativen Kulturzentrum zakk in Düsseldorf-Flingern. Jeden Donnerstag lädt Aynur Tönjes von der Diakonie Düsseldorf einen Teil ihrer 40 Programm-Teilnehmenden – allesamt mit einer Duldung –ein. Mal wird getanzt, mal gesungen, mal Graffitis gesprayt. „Hauptsache raus aus der Isolation“, sagt Tönjes. „Menschen brauchen Menschen“ lautet ihr Credo. Mit dem Programm „Integration durch Social Networking“ setzt Düsseldorf das in die Praxis um. Das Programm wurde von Anna-Maria Weihrauch und Lisbeth Hürter vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) beim Amt für Migration und Integration der Landeshauptstadt Düsseldorf entwickelt.
Das KI ist die geschäftsführende Stelle für die Umsetzung der beiden Landesinitiativen. Ausbildungshemmnisse abbauen, Brücken in die Mehrheitsgesellschaft bauen, Deutschkenntnisse jenseits der Schulbank verbessern: Dieser Ansatz wird als Projekt durch den „Innovationsfonds“ im Rahmen der Landesinitiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ gefördert. „Wir wissen alle: Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat. Persönliche soziale Netzwerke sind ein wichtiger Unterstützungsfaktor. Gerade auch für geflüchtete Menschen. So ist die soziale Unterstützung nach Fluchterlebnissen ein wichtiger Schutzfaktor für ihre psychische Gesundheit“, erklärt Weihrauch die Bedeutung von sozialen Beziehungen. „Das ist auch der Grund, wieso wir dieses Programm entwickelt haben. Wir möchten die Menschen dabei unterstützen, sich ein verlässliches soziales Netzwerk aufzubauen – das erhöht ihre Teilhabemöglichkeiten langfristig ungemein“, ergänzt Hürter.
Als Coach der Landesinitiative weiß er: Gute soziale Netzwerke erhöhen die Chance, einen Ausbildungsplatz, eine Praktikumsstelle oder auch eine Arbeit zu finden. Ein gutes Beispiel ist Muhamad, den er betreut. Der 25jährige kam 2016 aus dem Irak nach Deutschland. „Er ist positiv und supermotiviert“, sagt der Coach, der seinen Programm-Teilnehmer auf eine Lehre vorbereitet. Das Ziel der Beiden: eine Ausbildungsduldung zu erreichen nach dem „3 plus 2-Modell“. Angestrebt ist eine Lehre zum Friseur.
Muhamad ist auf einem guten Weg, denn er hat sich herausgetraut aus seiner „Blase“. Dabei halfen ihm nicht zuletzt die Angebote aus dem Innovations-Projekt „Integration durch Social Networking“. Aynur Tönjes ist von der Bedeutung zutiefst überzeugt. Im Oktober 2020 legte die engagierte Programm-Koordinatorin los –trotz Corona-Lockdown und seinen Einschränkungen.
Die Maßnahme besteht aus vier Modulen und beginnt mit einer Art „Aufnahmegespräch“. Darin wird ausgelotet, welche „Netzwerke“ die jungen Flüchtlinge schon selbstständig aufgebaut haben. Aber auch, was ihre Wünsche, Interessen und – notfalls –ihre Defizite sind. Bevor die Geflüchteten an der Maßnahme teilnehmen können, findet erst ein Gespräch mit dem Teilhabemanagement statt. Das Herzstück der Landesinitiative. Die vier Teilhabemanager*innen – ebenfalls beim Amt für Migration und Integration verortet - sprechen mit den Geflüchteten über ihre Bedarfe und beruflichen Perspektiven und lotsen sie durch verschiedenen Maßnahmen der Landesinitiative. Ist der Wunsch da, neue Leute kennenzulernen, hilft „Integration durch Social Networking“.
Die ersten Angebote konnten – pandemiebedingt – nur virtueller Art sein. Und waren trotzdem wirkungsvoll. Ein junger Mann aus Guinea lernte beispielsweise über eine Online-Nachbarschaftsplattform zwei Frauen in seiner Umgebung kennen, die ihm nun bei der Wohnungssuche helfen. Andere fanden Nachhilfelehrer, die sie auf anstehende Schulprüfungen vorbereiten.
Das Tanzteam von Surena ist eine sehr heterogene Gruppe. Der eine ist schon seit zehn Jahren in Deutschland und freut sich über jedes weitere Angebot für soziale Kontakte. Neben ihm sitzt ein Mann aus Indien, der kaum Deutsch versteht. Was nicht verwunderlich ist, da diese Zielgruppe bisher von Integrationskursen ausgeschlossen war. Die Isolation ist selbst nach mehreren Jahren Aufenthalt groß. „Zuhause denke ich zu viel, und das macht den Kopf kaputt“, sagt ein Mann.
Eine wichtige Zielgruppe in der Mehrheitsgesellschaft sind für Aynur Tönjes dabei die örtlichen Sportvereine. „Sport ist einer der besten Wege zur Integration“, sagt sie, meint damit aber nicht gesonderte Übungsgruppen für Geflüchtete, sondern die Regelangebote der Düsseldorfer Clubs. Gespräche mit dem Stadtsportbund und dem Düsseldorfer Sportamt in diese Richtung laufen.
Eindrücke von einem ganz besonderen Tanzworkshop im alternativen Kulturzentrum zakk in Düsseldorf-Flingern. Jeden Donnerstag lädt Aynur Tönjes von der Diakonie Düsseldorf einen Teil ihrer 40 Programm-Teilnehmenden – allesamt mit einer Duldung –ein. Mal wird getanzt, mal gesungen, mal Graffitis gesprayt. „Hauptsache raus aus der Isolation“, sagt Tönjes. „Menschen brauchen Menschen“ lautet ihr Credo. Mit dem Programm „Integration durch Social Networking“ setzt Düsseldorf das in die Praxis um. Das Programm wurde von Anna-Maria Weihrauch und Lisbeth Hürter vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) beim Amt für Migration und Integration der Landeshauptstadt Düsseldorf entwickelt.
Das KI ist die geschäftsführende Stelle für die Umsetzung der beiden Landesinitiativen. Ausbildungshemmnisse abbauen, Brücken in die Mehrheitsgesellschaft bauen, Deutschkenntnisse jenseits der Schulbank verbessern: Dieser Ansatz wird als Projekt durch den „Innovationsfonds“ im Rahmen der Landesinitiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ gefördert. „Wir wissen alle: Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat. Persönliche soziale Netzwerke sind ein wichtiger Unterstützungsfaktor. Gerade auch für geflüchtete Menschen. So ist die soziale Unterstützung nach Fluchterlebnissen ein wichtiger Schutzfaktor für ihre psychische Gesundheit“, erklärt Weihrauch die Bedeutung von sozialen Beziehungen. „Das ist auch der Grund, wieso wir dieses Programm entwickelt haben. Wir möchten die Menschen dabei unterstützen, sich ein verlässliches soziales Netzwerk aufzubauen – das erhöht ihre Teilhabemöglichkeiten langfristig ungemein“, ergänzt Hürter.
Ein Tanzkurs ist mehr als Freizeitgestaltung
In Düsseldorf gibt es aktuell 600 junge Erwachsene, die eine Duldung oder Gestattung haben. Sie leben in der Rhein-Metropole – aber schlecht integriert in ihrer eigenen Welt. „Sie sitzen in ihren Unterkünften ohne Zugang zur deutschen Kultur und Gesellschaft“, sagt Antonios Antoniou vom Multikulturellen Forum Düsseldorf. Hier setzt das Projekt an. „Wir wollen den Betroffenen eine Perspektive geben. Das stärkt ihr Selbstvertrauen und ist wichtig für ihre biografische Sicherheit.“Als Coach der Landesinitiative weiß er: Gute soziale Netzwerke erhöhen die Chance, einen Ausbildungsplatz, eine Praktikumsstelle oder auch eine Arbeit zu finden. Ein gutes Beispiel ist Muhamad, den er betreut. Der 25jährige kam 2016 aus dem Irak nach Deutschland. „Er ist positiv und supermotiviert“, sagt der Coach, der seinen Programm-Teilnehmer auf eine Lehre vorbereitet. Das Ziel der Beiden: eine Ausbildungsduldung zu erreichen nach dem „3 plus 2-Modell“. Angestrebt ist eine Lehre zum Friseur.
Muhamad ist auf einem guten Weg, denn er hat sich herausgetraut aus seiner „Blase“. Dabei halfen ihm nicht zuletzt die Angebote aus dem Innovations-Projekt „Integration durch Social Networking“. Aynur Tönjes ist von der Bedeutung zutiefst überzeugt. Im Oktober 2020 legte die engagierte Programm-Koordinatorin los –trotz Corona-Lockdown und seinen Einschränkungen.
Die Maßnahme besteht aus vier Modulen und beginnt mit einer Art „Aufnahmegespräch“. Darin wird ausgelotet, welche „Netzwerke“ die jungen Flüchtlinge schon selbstständig aufgebaut haben. Aber auch, was ihre Wünsche, Interessen und – notfalls –ihre Defizite sind. Bevor die Geflüchteten an der Maßnahme teilnehmen können, findet erst ein Gespräch mit dem Teilhabemanagement statt. Das Herzstück der Landesinitiative. Die vier Teilhabemanager*innen – ebenfalls beim Amt für Migration und Integration verortet - sprechen mit den Geflüchteten über ihre Bedarfe und beruflichen Perspektiven und lotsen sie durch verschiedenen Maßnahmen der Landesinitiative. Ist der Wunsch da, neue Leute kennenzulernen, hilft „Integration durch Social Networking“.
Programmstart im Lockdown
Aynur Tönjes schaut auf die Uhr. Obwohl der Kurs schon begonnen hat, sind erst drei Teilnehmer da. Auch der Iraker Muhamad hatte sich angemeldet. Sie greift zum Handy. „Bei jungen Leuten sollte man - was das Thema ‚Pünktlichkeit‘ betrifft - flexibel sein“, sagt Tönjes augenzwinkernd und erinnert ihren Gesprächspartner freundlich an den Termin. Und tatsächlich: Minute für Minute treffen Muhamad und weitere „Tänzer“ ein. Nach einer halben Stunde sind es so viele, dass der Übungsraum zu klein ist und die Gruppe in den Biergarten des zakk umzieht.Die ersten Angebote konnten – pandemiebedingt – nur virtueller Art sein. Und waren trotzdem wirkungsvoll. Ein junger Mann aus Guinea lernte beispielsweise über eine Online-Nachbarschaftsplattform zwei Frauen in seiner Umgebung kennen, die ihm nun bei der Wohnungssuche helfen. Andere fanden Nachhilfelehrer, die sie auf anstehende Schulprüfungen vorbereiten.
Vielfältige Gruppe – ein Ziel
In einer Übungspause erzählt Surena, wie sie sich selbst als kleines Mädchen schämte, vor anderen Menschen zu tanzen und nimmt den jungen Männern so die letzte Schüchternheit. Sie erzählen aus ihren Herkunftsländern und welche Bedeutung dort der Tanz bei Festen und in der Familie hat.Das Tanzteam von Surena ist eine sehr heterogene Gruppe. Der eine ist schon seit zehn Jahren in Deutschland und freut sich über jedes weitere Angebot für soziale Kontakte. Neben ihm sitzt ein Mann aus Indien, der kaum Deutsch versteht. Was nicht verwunderlich ist, da diese Zielgruppe bisher von Integrationskursen ausgeschlossen war. Die Isolation ist selbst nach mehreren Jahren Aufenthalt groß. „Zuhause denke ich zu viel, und das macht den Kopf kaputt“, sagt ein Mann.
Mehr als nur ein Zeitvertreib
Das zeigt: „Integration durch Social Networking“ als Programmziel kann funktionieren und ist deshalb mehr als nur ein netter Zeitvertreib. „Sie müssen erleben, wie unsere Gesellschaft funktioniert“, sagt Antonios Antoniou. „Alltagsdinge, wie man sich am Telefon meldet oder dass man sich im persönlichen Gespräch in die Augen schaut.“ Es geht um Partizipation, um Teilhabe an der Gesellschaft. „Verbindungen stärken, stabilisieren und geben Sicherheit“, sagen die Programm-Macher in Düsseldorf.Eine wichtige Zielgruppe in der Mehrheitsgesellschaft sind für Aynur Tönjes dabei die örtlichen Sportvereine. „Sport ist einer der besten Wege zur Integration“, sagt sie, meint damit aber nicht gesonderte Übungsgruppen für Geflüchtete, sondern die Regelangebote der Düsseldorfer Clubs. Gespräche mit dem Stadtsportbund und dem Düsseldorfer Sportamt in diese Richtung laufen.
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