© Caritas Ennepe-Ruhr
Beratung mit Bewegung – in Hattingen sind Coaches Helfer und Therapeuten
Es ist ein Leben „unter dem Radar“. In Nordrhein-Westfalen leben 23.000 geflüchtete, junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die bei uns „nur“ geduldet, aber nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Die Abschiebung kann ihnen täglich drohen. Ein Leben zwischen Frust, Angst und Hoffnung. Dabei sehen viele von ihnen ihre Zukunft in Deutschland. Die Landesprogramme „Gemeinsam klappt’s“ und „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ erkennen das Problem und ermöglichen Perspektiven. Ein zentraler Bestandteil ist die individuelle Betreuung durch Coaches. Wie deren Arbeit aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Hattingen im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Wasula stutzt für einen Moment. Er soll sich auf der Stelle bewegen, um ordentlich alle Körperteile zu lockern? Christina Große Munkenbeck meint das ernst und zum Beweis fängt sie selbst an, mit den Armen zu kreisen und sich in den Hüften tänzerisch zu bewegen. Wasula, der noch in seiner Arbeitskleidung zu dem heutigen Coaching-Gespräch gekommen ist, macht mit. Wenn auch zunächst etwas zögerlich.
Zwei Menschen – Arme wedelnd und tänzelnd in einem Besprechungszimmer der Caritas in Hattingen: eine rätselhafte Szenerie. Doch Christina Große Munkenbeck hat diese Übung am Beginn des heutigen Gesprächs mit Bedacht gewählt. Die Körperübungen dienen der Reorientierung, sagt sie. „Es geht darum, Wasula wieder im Hier und Jetzt zu verankern.“ Menschen mit Traumatisierungen geraten schneller mit ihrer Aufmerksamkeit in eine andere Zeit mit anderen Gefühlszuständen. Das beginnt damit, die Außenstellen des Körpers bewusst wahrzunehmen. Doch im Augenblick spürt Wasula vor allem seine Beine. Er arbeitet als Raumpfleger und musste heute schon viele Stockwerke rauf und runter laufen.
In den ersten Gesprächen habe er kaum ein Wort rausgekriegt, erinnert sich Christina Große Munkenbeck. Jetzt erzählt er in passablem Deutsch von der Kündigung, die er vor ein paar Tagen für sein Zimmer in einer Sammelunterkunft in Hattingen bekommen hat. Das scheint ihn aber nicht in Panik zu versetzen. Durch die Arbeit mit seinen Coaches hat er inzwischen erfahren, dass er über sie in ein Netzwerk von Unterstützern eingebunden ist, die ihm in allen Alltagslagen helfen wollen: vom Sozialamt über die Arbeitsagentur bis zur kommunalen Wohnungsgesellschaft.
Als Erstes sichtet das Berater-Team die Unterlagen ihrer Klienten. Oft fehlen Papiere, besonders ein Pass. Wositsch: "Bis die Identitätsangaben sicher sind, geht vieles nicht." Ein Begriff, den er in diesem Zusammenhang immer nennt, ist: Vertrauen. Doch wie soll das klappen in einer Welt, die in den Augen von Geflüchteten voller bürokratischer Hürden ist? „Manche wollen arbeiten, dürfen aber nicht. Andere haben eine Arbeitsgestattung, die ist aber häufig befristet auf wenige Monate. Deshalb zögern die Arbeitgeber, weil auch sie längerfristige Planbarkeit brauchen.“ Hier sieht er seine Aufgabe darin, immer wieder zu motivieren, nicht aufzugeben, Perspektiven zu eröffnen. Im Gespräch – und darüber hinaus durch konkrete Vermittlungen. Wobei für ihn eines an erster Stelle steht: „Deutsch zu lernen, ist das Wichtigste“, macht Wositsch seinen Klienten immer wieder klar.
Das erleichtert nicht nur die Suche nach einer Beschäftigung, sondern es verhindert auch folgenschwere Fehlentscheidungen. Ein Dauerbrenner für die Coaches sind meist völlig überteuerte Verträge. Egal ob Handy-Vertrag oder Muckibude: Irgendwann sitzen sie vor ihm und zücken verschüchtert Briefe mit Mahnungen aus der Tasche. „Wir sagen immer: Unterschreibt nirgendwo etwas!“ Und trotzdem passiert es…
Dann reden sie über die „Hausaufgaben“, die Wasula in der vergangenen Woche aufbekommen hatte. Der junge Mann lächelt verlegen. Er sollte seine Wünsche und Ziele in knappen Worten formulieren. Schriftlich hat er es nicht getan. Also, fassen sie es gemeinsam zusammen und die Betreuerin notiert: eine neue Wohnung, Sport in der Freizeit, mehr Schlaf. Der Mann schläft nur vier bis sechs Stunden die Nacht, erzählt er. Immer diese Ängste und Gedanken…
Branko Wositsch hat derweil ein anderes Problem auf dem Schreibtisch. Eine junge Frau aus Syrien, gerade 18, hat hier ein Kind bekommen. Sie zieht zum Kindesvater (nach Hattingen), dann wieder zurück zu den Eltern. „Das junge Paar ist mit der Situation völlig überfordert“, stellt Wositsch fest. „Von der prekären finanziellen Lage ganz zu schweigen.“ Jetzt ist die junge Frau wieder nach Hattingen gekommen. Sie möchte Deutsch lernen und dann arbeiten. Keine einfache Aufgabe für den Coach, der nun einen Sprachkurs suchen wird, bei dem auch eine Kinderbetreuung möglich ist.
Was motiviert die Coaches? Bei Christina Große Munkenbeck ist es Hoffnung. „Ich glaube daran, dass sich fast jedes Problem lösen lässt oder zumindest so behandelt werden kann, dass sich ein besseres Gefühl einstellen kann. Das möchte ich gerne weitergeben an diese Zielgruppe, welche sehr dankbar ist.“ Branko Wositsch empfindet „sehr, sehr viel Freude“ bei seiner Arbeit und spricht von „Nächstenliebe“. Dazu hat ihn seine eigene Biografie geprägt. Ende der 1960er Jahre zog seine Familie – Teil der deutsch-stämmigen Minderheit - aus dem heutigen Slowenien weg und erlebte viel Unterstützung hierzulande. „Davon möchte ich jetzt etwas zurückgeben."
Zwei Menschen – Arme wedelnd und tänzelnd in einem Besprechungszimmer der Caritas in Hattingen: eine rätselhafte Szenerie. Doch Christina Große Munkenbeck hat diese Übung am Beginn des heutigen Gesprächs mit Bedacht gewählt. Die Körperübungen dienen der Reorientierung, sagt sie. „Es geht darum, Wasula wieder im Hier und Jetzt zu verankern.“ Menschen mit Traumatisierungen geraten schneller mit ihrer Aufmerksamkeit in eine andere Zeit mit anderen Gefühlszuständen. Das beginnt damit, die Außenstellen des Körpers bewusst wahrzunehmen. Doch im Augenblick spürt Wasula vor allem seine Beine. Er arbeitet als Raumpfleger und musste heute schon viele Stockwerke rauf und runter laufen.
Coach ist auch Trauma-Fachberaterin
Der junge Geflüchtete aus Afghanistan ist einer von zehn - durchweg männlichen - Klienten von Christina Große Munkenbeck. Nicht mit allen macht sie solche, fast schon bewegungstherapeutische Übungen; nicht bei allen ist das nötig. Sie ist studierte Sozialarbeiterin und hat eine einjährige Zusatzqualifikation zur Trauma-Fachberaterin gemacht. Sie kennt die „Bilder“, die Wasula belasten und in Alpträumen bis in den Schlaf verfolgen. Es sind Erlebnisse während des Kriegs in seiner Heimat. Mit 16 floh er nach Deutschland. Jetzt ist er 22.In den ersten Gesprächen habe er kaum ein Wort rausgekriegt, erinnert sich Christina Große Munkenbeck. Jetzt erzählt er in passablem Deutsch von der Kündigung, die er vor ein paar Tagen für sein Zimmer in einer Sammelunterkunft in Hattingen bekommen hat. Das scheint ihn aber nicht in Panik zu versetzen. Durch die Arbeit mit seinen Coaches hat er inzwischen erfahren, dass er über sie in ein Netzwerk von Unterstützern eingebunden ist, die ihm in allen Alltagslagen helfen wollen: vom Sozialamt über die Arbeitsagentur bis zur kommunalen Wohnungsgesellschaft.
Der Wunsch nach einem „normalen“ Leben
Kontinuität in der Betreuung, immer gleiche Gesichter als Ansprechpartner: das ist die neue Qualität des individuellen Coachings durch das Programm „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ des Landes. Auch Branko Wositsch (56) arbeitet bei der Caritas als Coach in Hattingen und im benachbarten Niedersprockhövel (EN-Kreis). Aktuell betreut der Diplom-Pädagoge mehr als 15 Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern. Was sie eint, ist ein Mix aus Resignation, Frust und Angst. „Es ist der Wunsch nach einem normalen und sicheren Leben, der in uns allen steckt", sagt Branko Wositsch.Als Erstes sichtet das Berater-Team die Unterlagen ihrer Klienten. Oft fehlen Papiere, besonders ein Pass. Wositsch: "Bis die Identitätsangaben sicher sind, geht vieles nicht." Ein Begriff, den er in diesem Zusammenhang immer nennt, ist: Vertrauen. Doch wie soll das klappen in einer Welt, die in den Augen von Geflüchteten voller bürokratischer Hürden ist? „Manche wollen arbeiten, dürfen aber nicht. Andere haben eine Arbeitsgestattung, die ist aber häufig befristet auf wenige Monate. Deshalb zögern die Arbeitgeber, weil auch sie längerfristige Planbarkeit brauchen.“ Hier sieht er seine Aufgabe darin, immer wieder zu motivieren, nicht aufzugeben, Perspektiven zu eröffnen. Im Gespräch – und darüber hinaus durch konkrete Vermittlungen. Wobei für ihn eines an erster Stelle steht: „Deutsch zu lernen, ist das Wichtigste“, macht Wositsch seinen Klienten immer wieder klar.
Das erleichtert nicht nur die Suche nach einer Beschäftigung, sondern es verhindert auch folgenschwere Fehlentscheidungen. Ein Dauerbrenner für die Coaches sind meist völlig überteuerte Verträge. Egal ob Handy-Vertrag oder Muckibude: Irgendwann sitzen sie vor ihm und zücken verschüchtert Briefe mit Mahnungen aus der Tasche. „Wir sagen immer: Unterschreibt nirgendwo etwas!“ Und trotzdem passiert es…
Sprachkurs mit Kinderbetreuung gesucht
Zurück zu seiner Kollegin Christina Große Munkenbeck, die mit ihrem afghanischen Klienten jetzt eine sitzende Übung auf dem Stuhl macht, das sog. Abfragen eines Ressourcen-Barometers. Wasula soll eine Stelle seines Körpers besonders intensiv spüren. Das sind bei ihm jetzt die Unterarme, die auf der Stuhllehne ruhen. Auch hier geht es wieder darum, mehr auf den Körper zu achten. Eine weitere Spezialübung dient dazu, lähmende Gedanken und schlimme Bilder der Erinnerung selbstständig zu regulieren – wenn sie auftauchen.Dann reden sie über die „Hausaufgaben“, die Wasula in der vergangenen Woche aufbekommen hatte. Der junge Mann lächelt verlegen. Er sollte seine Wünsche und Ziele in knappen Worten formulieren. Schriftlich hat er es nicht getan. Also, fassen sie es gemeinsam zusammen und die Betreuerin notiert: eine neue Wohnung, Sport in der Freizeit, mehr Schlaf. Der Mann schläft nur vier bis sechs Stunden die Nacht, erzählt er. Immer diese Ängste und Gedanken…
Branko Wositsch hat derweil ein anderes Problem auf dem Schreibtisch. Eine junge Frau aus Syrien, gerade 18, hat hier ein Kind bekommen. Sie zieht zum Kindesvater (nach Hattingen), dann wieder zurück zu den Eltern. „Das junge Paar ist mit der Situation völlig überfordert“, stellt Wositsch fest. „Von der prekären finanziellen Lage ganz zu schweigen.“ Jetzt ist die junge Frau wieder nach Hattingen gekommen. Sie möchte Deutsch lernen und dann arbeiten. Keine einfache Aufgabe für den Coach, der nun einen Sprachkurs suchen wird, bei dem auch eine Kinderbetreuung möglich ist.
Motivation: Nächstenliebe und Hoffnung
Solche Schicksale rühren die Coaches an. Doch sie müssen Distanz bewahren. Christina Große Munkenbeck wirkt offen, freundlich und zugewandt: aber sie zieht auch eine klare Grenze. Private Annäherungen mit den Klienten lehnt sie ab. Sieht man von kleinen Geschenken für sie etwa anlässlich des muslimischen Ramadanfestes ab.Was motiviert die Coaches? Bei Christina Große Munkenbeck ist es Hoffnung. „Ich glaube daran, dass sich fast jedes Problem lösen lässt oder zumindest so behandelt werden kann, dass sich ein besseres Gefühl einstellen kann. Das möchte ich gerne weitergeben an diese Zielgruppe, welche sehr dankbar ist.“ Branko Wositsch empfindet „sehr, sehr viel Freude“ bei seiner Arbeit und spricht von „Nächstenliebe“. Dazu hat ihn seine eigene Biografie geprägt. Ende der 1960er Jahre zog seine Familie – Teil der deutsch-stämmigen Minderheit - aus dem heutigen Slowenien weg und erlebte viel Unterstützung hierzulande. „Davon möchte ich jetzt etwas zurückgeben."
"Social Media"-Einstellungen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an die nachfolgenden Dienste übertragen und dort gespeichert:
Facebook, X/Twitter, Youtube, Pinterest, Instagram, Flickr, Vimeo
Bitte beachten Sie unsere Informationen und Hinweise zum Datenschutz und zur Netiquette bevor Sie die einzelnen Sozialen Medien aktivieren.
Datenfeeds von sozialen Netzwerken dauerhaft aktivieren und Datenübertragung zustimmen: